Do., 12.05.2022 - 13:22

Seit Ende 2021 ist der Hohe Norden Kameruns Schauplatz gewaltsamer Auseinandersetzungen. Die Ausschreitungen zwischen den Bevölkerungsgruppen in dieser Region haben Tausende von Einwohnern zur Flucht gezwungen. Insgesamt waren mehr als 100'000 Menschen gezwungen, zu fliehen. Eine Zahl, die wahrscheinlich weit unter der Realität liegt. Drei Viertel von ihnen flüchteten in den benachbarten Tschad und fast 10'000 flohen innerhalb der Grenzen Kameruns. Was ist der Hauptgrund für die gewalttätigen Auseinandersetzungen? Die Verknappung der Ressourcen aufgrund des Klimawandels.  

Gewaltsame Auseinandersetzungen in Logone Birni führen zur Vertreibung von Tausenden von Menschen. © UNHCR/Xavier Bourgois
Gewaltsame Auseinandersetzungen in Logone Birni führen zur Vertreibung von Tausenden von Menschen. © UNHCR/Xavier Bourgois
Die Klimakrise verschlimmert die Lage für den Zugang zu Wasser und anderen Ressourcen

Durch den Anstieg der Temperaturen ist Wasser, eine lebenswichtige, im Hohen Norden Kameruns bereits knappe Ressource, an kritische Grenzen gestossen. In diesem Teil der Sahelzone steigen die Temperaturen nämlich 1,5-mal schneller als der globale Durchschnitt. Diese radikale Veränderung hat dazu geführt, dass der Wasserstand des Tschadsees in den letzten 60 Jahren um 95% gesunken ist. Dies stelle eine Herausforderung für das Überleben der Menschen in der gesamten Region dar.   

Viehzüchter, Fischer und Landwirte, die auf Wasser angewiesen sind und deren Tätigkeiten von den Flüssen Logone und Chari abhängen, kämpfen um die wenigen verfügbaren Ressourcen. Neben Wasser wird auch Sorghum, das Grundnahrungsmittel der kamerunischen Gemeinschaften, knapp. Zugvögel plündern die Felder, weil sie aufgrund der Dürre anderswo nicht mehr genug Nahrung finden.    

Da das Wasser immer knapper wird, hat das Klima der Spannungen seinen Höhepunkt erreicht. Es kam zu gewalttätigen Auseinandersetzungen in Form von wiederholten Angriffen und Plünderungen von Dörfern in dieser Region, wodurch Tausende von Dorfbewohnern gezwungen waren, zu fliehen.   

Zustrom kamerunischer Flüchtlinge in den Tschad. Umsiedlung an den Standort Kalambari. © UNHCR/Aristophane Ngargoune
Zustrom kamerunischer Flüchtlinge in den Tschad. Umsiedlung an den Standort Kalambari. © UNHCR/Aristophane Ngargoune
Flucht als einziger Ausweg zum Überleben  
"Unser Dorf wurde angegriffen und wir mussten fliehen, ohne etwas mitnehmen zu können", erklärte Tomma Ndjinda, die sich mit ihrem Mann und ihren sieben Kindern auf der Suche nach Sicherheit in Richtung Süden begeben musste.   

Zusammen mit rund 4'200 anderen Menschen aus dem hohen Norden Kameruns fanden sie Zuflucht in den Lagern für Binnenvertriebene von Ardjaniré in Bogo. Sie alle flohen vor der schlimmsten Gewalt, die es in dieser Region je gegeben hatte.   

Insgesamt schätzt UNHCR, dass seit Beginn der Kämpfe am 5. Dezember 2021 mehr als 100'000 Menschen vertrieben wurden, von denen mehr als 85'000 im benachbarten Tschad Zuflucht gesucht haben, der Rest in kamerunischen Lagern. Es besteht die Gefahr, dass die klimatische Situation weiterhin tausende Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat zwingt.  

Hoher Kommissar trifft vertriebene Familien © UNHCR/Colin Delfoss
Hoher Kommissar trifft vertriebene Familien © UNHCR/Colin Delfoss
Situationsgerechte Antworten geben, die sofort und in der Zukunft greifen  
"Die Ursachen der Konflikte zu identifizieren und an ihrer Lösung zu arbeiten, würde ein friedliches Zusammenleben der Gemeinschaften sicherstellen", betonte Filippo Grandi bei seinem Besuch vor Ort am 1. Mai 2022.   

Doch wie kann man dem Problem der Ressourcenknappheit begegnen? Im Rahmen eines Wiederaufforstungsprojekts werden 2'000 Bäume gepflanzt, um die Entwaldung zu stoppen, den vertriebenen Familien Alternativen zu bieten und den Ausbruch neuer Konflikte aufgrund von Ressourcenknappheit zu verhindern.   

Auf breiterer Ebene ist das Projekt Teil der Great Green Wall Initiative. Diese wurde 2021 ins Leben gerufen. Flüchtlinge und Aufnahmegemeinschaften im Norden Kameruns haben 360'000 Baumsetzlinge gepflanzt und damit die Umwelt im und um das Flüchtlingslager Minawao verändert. Langfristiges Ziel ist es, eine 8'000 Kilometer lange grüne Barriere zu errichten, um Landdegradation, Wüstenbildung und Dürre in der Sahelzone zu bekämpfen.  

"Die Bäume bieten den Schatten, der für den Anbau von Nahrungsmitteln notwendig ist. Zweitens können abgestorbene Blätter und Äste zu Dünger verarbeitet werden. Und schliesslich zieht der Wald Wasser an und kann dieses speichern. Die Regenfälle haben sogar zugenommen", berichtet eine nigerianische Flüchtlingsfrau, die sich für das Projekt engagiert. 

Auch während diesem mittelfristigen Projekt muss die Organisation sofort reagieren. So hat UNHCR gerade einen Notfall der Stufe 2 ausgerufen und weitet seine Massnahmen rasch aus, um den Betroffenen in Kamerun und den neuen Flüchtlingen im Tschad zu helfen. Gemeinsam mit Médecins Sans Frontières (Ärzte ohne Grenzen) hat UNHCR an den meisten Flüchtlingsstandorten mobile Kliniken eingerichtet. Diese medizinische Betreuungermöglicht es, bedürftige Patienten zu identifizieren und an lokale Gesundheitseinrichtungen weiterzuleiten. Darüber hinaus verteilten UNHCR, das tschadische Rote Kreuz und die Agentur für wirtschaftliche und soziale Entwicklung, eine tschadische NGO, an allen Flüchtlingsstandorten warme Mahlzeiten. Schliesslich unterstützen UNHCR-Teams die Regierung dabei, neue, von der Grenze entfernte Aufnahmestandorte zu identifizieren, um die Flüchtlinge gemäss internationalen Standards besser zu schützen.