Di., 26.01.2021 - 10:00

Für viele Flüchtlinge scheint die Ankunft in einem Drittland und das Wiedererlangen eines Gefühls der Sicherheit zunächst das Ende der Probleme zu sein. Und in gewisser Weise stimmt das auch: Man muss weder um sein Leben fürchten noch in ständiger Angst leben. Das schlimmste liegt hinter ihnen. Doch sehr schnell stellt sich eine neue Realität ein und offenbart weniger erwartete Herausforderungen. Alltägliche Schwierigkeiten, die ein Leben zwar nicht direkt bedrohen, es aber sehr viel komplizierter machen.

Die Aargauer Zeitung berichtet darüber in ihrem Artikel vom 16. Januar 2021, geschrieben von Flurina Dünki.

Ein Thema, mit dem viele Flüchtlinge konfrontiert sind. Kibrom Kidanemariam war einer von ihnen. Nachdem er 2008 Eritrea verlassen und vier Jahre später die Schweiz erreicht hatte, stand er nach seiner Ankunft in seinem neuen Gastland vor einer neuen Herausforderung: der Suche nach einem Job. In der Tat ist die Sprach- und Bildungsbarriere, mit der sich Flüchtlinge, und insbesondere die jüngeren, konfrontiert sehen, eines der grössten Hindernisse beim Eintritt in den Arbeitsmarkt. Selbst Positionen, die normalerweise keine vorherige Ausbildung erfordern, und kleine Jobs, von denen man denkt, dass sie zugänglich sind, werden unerreichbar. Kibrom verstand das sehr schnell, deswegen zögerte er nie, alle Möglichkeiten zu nutzen, die ihm die Freiwilligen in Birr, dem Dorf, in dem er lebte, boten, um Deutsch zu lernen. Abends nach dem Unterricht lernte er selbstständig weiter.

Seine Entschlossenheit, die Sprache zu lernen, öffnete ihm die Tür zu einer Ausbildung zum Fachmann Betriebsunterhalt, die von der Stiftung Lebenshilfe angeboten wurde, einer Stiftung, die sich der Bereitstellung von Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderungen oder in schwierigen Situationen im Aargau widmet. Heute hat Kibrom seine Ausbildung abgeschlossen, hat einen Job, ist verheiratet und hat drei Kinder.

Jetzt, da seine Situation gefestigt ist, möchte Kibrom verhindern, dass andere Flüchtlinge entmutigt werden, wenn sie in der Schweiz nach Arbeitsmöglichkeiten suchen. Er hat einen Coaching-Kurs absolviert und arbeitet mit zwei Schweizerinnen als Integrationscoach für die Stiftung Lebenshilfe, die ein paar Jahre zuvor seine eigene Integration erleichtert hat. Er bietet seine Unterstützung bei der Suche nach Lehrstellen, Praktika und Jobs denjenigen an, die wie er mit nichts angekommen sind, ausser Hoffnung für die Zukunft.

Vor allem will er zeigen, dass der schwierigste Teil hinter ihnen liegt. Dass trotz der Schwierigkeiten, die auf sie zukommen werden, das Wichtigste ist, nicht aufzugeben. 

« Manch einer im Integrationsprogramm hat mir gesagt, dass er sich nicht mit mir identifizieren kann. Dass ich’s geschafft habe, weil ich gescheiter oder gebildeter bin. » 

Er amüsiert sich.

« Ich war früher ein sehr schlechter Schüler, dem alles andere wichtiger war. »

Wenn er es geschafft hat, können es auch andere schaffen. Das ist die Hoffnung, die er den Neuankömmlingen jetzt einflößen will.